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Im Spiegel

  Die Spiegelbilder im großen Spiegel vom kleinen Spiegel von den gemalten Bildern an der Wand wirken komisch, die Bilder hängen schief, ein Regal über dem kleinen Spiegel trägt gerade oder die Bilder hängen gerade und das Regal trägt schief.
   Der große Spiegel steht schräg, oben an die Wand gelehnt. Ich stehe davor, mein Gesicht wirkt schief, ich scheine zu fallen, schräg nach unten. Ich springe in den Spiegel, er schluckt mich lautlos, ich falle, falle nun wirklich, falle tiefer, immer tiefer, versuche Halt zu finden, reiße nur alles mit hinunter, die schiefen Bilder wirken wie Fenster, flüchtige Blicke, dann weiter, die Fenster verschwinden schnell, schräg hinter mir, schräg nach oben.
   Das Zimmer wird kleiner, ich werde kleiner, klein und immer kleiner, winzig, ich erkenne mich nicht mehr, doch spüre mich im Fall, die Fenster sind nur noch Punkte, die Blicke hinaus verschmierte Farben, dann Farbflecke, dann sind alle Flecke eine Farblinie, ich falle schneller, falle tiefer, falle immer weiter und weiß, dass ich kein Ziel erreichen kann, die Mathematik spricht dagegen, so werde ich kleiner als Atome, falle tiefer als das Weltall, falle schneller als das Licht.

   Plötzlich stehe ich wieder vor dem Spiegel. Mir ist schwindlig, ich setze mich, ich staune. Was war das eben? frag ich mich, finde keine Antwort, stehe wieder auf, wundere mich noch mal, schaue wieder in den großen Spiegel durch den kleinen Spiegel zu den schiefen Bildern an der Wand, verstelle nun den Spiegel rechtwinklig zum Boden, sehe den kleinen Spiegel im großen Spiegel gerade, sehe gerade Bilder, sehe mich, steige hinein, eine gerade Reise beginnt, danach finde ich den Weg nicht mehr zurück, bleibe im Spiegel, bleibe verschollen, ohne Zeit in unendlichen Räumen, staune noch einmal, dann laufe ich, laufe und laufe, immer geradeaus, werde kleiner, kleiner und immer kleiner, das ist kein Spiel mehr, das ist mein Leben.


H. Müller

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